Das Oktoberfest, das Buch von Volker Derlath
Man hasst es oder man liebt es, das Fest auf der Wiesn in München. Die Wiesn eben. Seit 1810 jährlich, seit Corona nicht mehr. Der weltweit geliebte Ausnahmezustand im Ausnahmezustand.
Die Wiesn, Erinnerungen eines Preussen
Ich war oft auf der Wiesn, immer mit einer Gruppe, oft verkleidet wie Bayern, oft desaströs im Abgang. Ich aber nie in Krachleder, immer in zivil, oft als Spielverderber verlacht. Es war aber jedes Mal etwas Besonderes. Die Lachen Erbrochenes, die wilden Pisser in manchmal grotesker Pose den aufrechten Gang praktizierend, der Duft aus gigantischen Küchen und die Tradition die sich in der Nacht mit Neonlicht prügelt.
Ich erinnere mich an einen Moment, ich saß vor einem brüllenden Zelt auf einem verlorenen Stuhl, und da kam dieses wunderbare Paar eine der Gassen entlang. Beide wundervoll rausgeputzt, Dirndl und Sonntagsstaat, sie ein Sträußl mit beiden Händen vor der Brust haltend, eingehakt mit ihrem Mann, ein gigantischer Meisterwerk eines Gamsbartbinders auf seinem Hut, beide bestimmt um die 80. Es war herrlich zu sehen, wie diese beiden Originale an mir vorbei gingen und ihre Wiesn gemeinsam zelebrierten und genossen.
Ein Protagonist der Wiesn, Volker Derlath
Der Fotograf Volker Derlath hat seit 35 Jahren kaum eine verpasst, kaum eine Wiesn ohne den Mann mit der Pentax LX, Aufsteckblitz und Ilford-Filmen in der Tasche. Momente der totalen Hingabe, Aufnahmen aus dem von sich besoffenen Herzen des Oktoberfestes, Schlägereien, inniges Flirten, vor Hitze und Bier und Hendl flirrende Luft, Einsamkeit und dröhnende Massen in kollektiver Liebe, grobkörnig in nächtlichen Arbeitstagen auf Baryt Papier gezogene Kunstwerke, Stilleben, die die Sekunde des Auslösens einfrieren und für uns festhalten.
Mit Lars Harmsen und Florian Brugger, beides alte Hasen in Sachen Design, hat der Mann hinter der Kamera zwei gefunden, die verstanden haben was er da treibt. Im aufwändigem Duo-Tone Verfahren wurden die Bilder für dieses grandiose Buch aufbereitet, jedes einzelne Bild wirkt wie ein Original-Abzug.
Bilder wie aus einem Film, Protagonisten die allesamt Laien sind, im Saufen wie im Feiern, echt und dadurch liebenswert, findet sich doch fast jeder auf mindestens einem der Bilder wieder, gedanklich.
Ob man das Oktoberfest mag oder nicht, nach nun 2 Jahren ohne die Wiesn ist dieses wundervolle Buch ein kraftvoller Rückblick auf das größte Volksfest der Welt, eine Ode an das gemeinsame Feiern. In der Chronologie eines Ausflugs auf die Wiesn sortiert, ist man von der ersten Maß über das 24te Mal „Ein Prosit“ bis zum Knockdown am triefenden Eck eines Klo-Wagens dabei, unerschrocken und echt, weil‘s so ist!
Bilder von Volker Derlath.
Das Buch wird in aufwendig genähter Bindung in Bozen produziert, die Editoren stellte Melville Brand Design, diesen Haufen Idealisten stelle ich euch das nächste Mal vor.
Veröffentlicht wird das Buch bei Slanted.
Mahalo!